Nach der Fußball-Katastrophe eine Chance für den Handball?
Anmerkungen zu einem Missstand - WM-Start in Polen

Eine letzte Erinnerung an die Katastrophe des deutschen Fußballs im arabischen Wüstensand wird es wohl ausgerechnet am Freitag, dem 13.Januar 2023 geben. Dann wird um 20.30 Uhr im polnischen Katowice (deutsch: Kattowitz) das erste Spiel der deutschen Herren-Nationalmannschaft bei der 28. Handball-Weltmeisterschaft In Polen und in Schweden angepfiffen. Gegen wen wohl ? Genau: gegen die mit Öl- und Erdgas-Millionen zusammengekaufte Mannschaft von Katar, Asienmeister und Silbermedaillengewinner bei der WM 2015 in Katar.
Wir Mettener HandballerInnen können ganz sicher davon ausgehen, dass unser Nationalteam das genaue Gegenteil von dem zeigen wird, was Bob Hanning, Geschäftsführer des Bundesliga-Spitzenreiters Füchse Berlin, über die deutschen Spitzenkicker nach ihrem blamablen Ausscheiden gesagt hat: "Ohne Feuer. Ohne Eifer. Ohne Ehrgeiz. Ohne Mumm. Vom Gefühl her immer ein bisschen drüber, als wenn man sich für etwas Besseres hält."
Katar ist auch das Stichwort für eine kurze Rückblende zum Thema Übertragung von WM-Spielen im Fernsehen. Bekanntlich weigerten sich ARD und ZDF, 2015 die Handball-WM in Katar ins Programm zu heben. Man hatte sich mit den Arabern wegen der Verschlüsselung der Übertragung per Satellit gestritten. Schlappe zwei Millionen Euro hätten die Live-Übertragungen der Spiele nur gekostet. Schließlich sprang eine kleine deutsche Bank ein und ließ für einen eher winzigen Zuschauerkreis über YouTube senden.

Wenn es jedoch in Deutschland um Fußball geht, öffnen sich die Geld-Tresore ganz schnell: Für die Übertragungsrechte der Fußball-WM 2022 blätterten die beiden deutschen öffentlich-rechtlichen Sender ohne zu murren die gewaltige Summe von 214 Millionen Euro hin. Deshalb ist es kein Wunder, wenn Handball und die anderen Mannschaftssportarten in Deutschland bald in Vergessenheit geraten. Nirgendwo auf der Welt dominiert Fußball das Sportgeschehen in der Medienberichterstattung derart wie hierzulande. Allein in unseren Nachbarländern haben so exotische Sportarten wie Rugby (Frankreich), Cricket (England), Feldhockey (Österreich) oder Ranggeln (= Ringen, Schweiz) ein weitaus größeres Echo in den Medien als etwa der Handballsport in Deutschland. Und warum sind DänInnen am laufenden Band internationale Handball-Titelträger? Weil der Sport in dem nur 5,8 Millionen kleinen Land von den Medien gehegt und gepflegt wird. Die Nachwuchsförderung durch Staat und Kommunen gelten als vorbildlich. Folge: Handball in Dänemark ist, so Verbands-Generalsekretär Morten Stig Christensen, „Sportart 1b knapp hinter Fußball.“
Das Engagement der dänischen Medien, insbesondere der Fernseh- und Radiostationen, muss deutsche Medienmacher auf der ständigen Hatz nach Einschaltquoten eigentlich ein strahlendes Vorbild sein. Doch die Programmplaner bei ARD, ZDF mit Beamtenstatus begehen ständig ungestraft böse Fouls an unserem Sport durch weitgehende Nichtbeachtung. Und wenn es gar nicht anders geht, dann pflegen sie die infame Spezialität, wirklich wichtige Handball-Ereignisse auf 30-Sekunden-Schnipsel einzudampfen. Wer den Handball so in die Verbannung schickt, der hat auf Dauer auch keine Ahnung mehr vom Sport. Reporter, Moderatoren und sogenannte Experten glänzen bis auf wenige Ausnahmen durch peinliche Ahnungslosigkeit.
Wie lässt sich an diesem verheerenden Zustand etwas ändern? Der DHB als nationaler Verband steht zusammen mit seinem Regionalverbänden im Grunde machtvoll da. 755.000 Mitglieder in etwa 4.100 Vereinen mit rund 22.000 Mannschaften sind ein Riesenpfund und erlauben großen Einfluss. Die Verbandsspitze muss zunächst einmal den Entscheidern in den verkalkten Strukturen des Ö.-R-Systems den Marsch blasen und den direkten Einfluss über die Sport- und Medienpolitik sowie durch eigenes Engagement als gewählte Rundfunk- und Verwaltungsratmitglieder wahrnehmen. Und dann muss es zur Sache gehen für den deutschen Handball. Eine gewisse faire Härte, die unser Sport erlaubt, darf ruhig eingesetzt werden. Die verwöhnten Püppchen an der Profifußball-Front könnten da sogar auch noch was lernen. Dann braucht sich auch der Bob Hanning nicht so aufregen.

Handball-Weltmeisterschaft 2023 vom 11. bis 29. Januar in Schweden und in Polen:

Die deutsche Mannschaft spielt in Gruppe E gegen Katar, Serbien und Algerien.

Der deutsche WM-Kader:
Tor: Andreas Wolff (VIVE Lomza Kielce/POL), Joel Birlehm (Rhein-Neckar Löwen)
Linksaußen: Lukas Mertens (SC Magdeburg), Rune Dahmke (THW Kiel)
Rückraum links: Paul Drux (Füchse Berlin), Philipp Weber (SC Magdeburg), Julian Köster (VfL Gummersbach)
Rückraum Mitte: Juri Knorr (Rhein-Neckar Löwen), Luca Witzke (SC DHfK Leipzig), Simon Ernst (SC DHfK Leipzig)
Rückraum rechts: Kai Häfner (MT Melsungen), Djibril M’Bengue (Bergischer HC), Christoph Steinert (HC Erlangen)
Rechtsaußen: Patrick Groetzki (Rhein-Neckar Löwen), Lukas Zerbe (TBV Lemgo Lippe)
Kreis: Johannes Golla (SG Flensburg-Handewitt), Jannik Kohlbacher (Rhein-Neckar Löwen), Tim Zechel (HC Erlangen)

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