Warum es Handball-Schiedsrichter leichter haben könnten
Was ist das größte Problem des deutschen Handballs ? Nein, noch nicht die Funktionäre beim DHB und in den Landesverbänden. Auch nicht die berechtigten Sorgen, die sich die meisten Vereine um den Nachwuchs machen müssen. Das größte Problem sind die Schiedsrichter, deren Zahl ab der vierten Liga beängstigend abnimmt.
Im Württembergischen Verband etwa hat man Ursachenforschung betrieben. Die Zahlen sind katastrophal: 80 % der Absolventen der durchaus gut besuchten Lehrgänge danken bereits im ersten Einsatzjahr ab und zwar für immer. 60 % der Pfeifen-Verweigerer begründen dies mit dem „Umfeld“. Und das ist der von ihnen so empfundene Psycho-Terror, dem die Men in black (auch wenn sie zwischenzeitlich richtig bunte Paradiesvögel geworden sind) jedes Wochenende in den Hallen ausgesetzt seien. Dazu eine nette Geschichte aus der Hamburger Gegend: Lars Hoffmann, Jugendtrainer des TVB Hamburg, zog beim Auswärtsmatch seiner Burschen die grüne Timeout-Karte nicht zur Taktikbesprechung, sondern um die ständig auf die beiden 15-jährigen Schiedsrichter schimpfenden, mitgereisten Eltern vor die Wahl zu stellen, entweder ruhig zu sein oder die Halle zu verlassen. Eine gute Tat.
Nicht gute Taten, sondern möglichst viel Objektivität und kluges Abwägen auf der Basis des Regelwerks – das dürfen Aktive und Zuschauer von Unparteiischen im Handballsport erwarten. Hier wird nichts Menschenunmögliches verlangt. Fehlurteile passieren auch den Allerbesten. Fehlurteile in Serie über eine komplette Spielzeit hinweg aber dürfen nicht passieren. Freilich wissen wir, welcher Druck auf unseren Tatsachen-Entscheidern lastet. So können sich Schiedsrichter beim Fußball schon mal ein kleines Nickerchen im Anstoßkreis leisten, weil nicht selten so wenig Tempo in diesem Spiel ist. Handball-Unparteiische hingegen müssen pro Match laut Statistik zehnmal mehr Entscheidungen fällen als das beim Kicken erforderlich ist. Und selbstverständlich gefallen diese Entscheidungen nicht jedem. Vor allem, wenn in einem Spiel aus welchen Gründen auch immer (da sei die Schiedsrichterleistung mal ausgenommen) das Blut der Parteien in Wallung geraten ist.
Bewegen sich ausgebildete Schiris weitgehend auf der Regel-Ebene, sind sie obendrein Menschenkenner und Autorität genug, dann mag noch so viel in Wallung sein: Es geht gerecht zu. Und das ist spätestens nach dem Spiel für jeden denkenden und kultivierten Mitteleuropäer nachvollziehbar, wenn nötig bei einer guten Halben. Übrigens: Diese Schiedsrichter gibt es, auch im Lande Bayern.
Wie lösen wir das größte Problem des deutschen und somit des bayerischen Handballs ? Gewiss nicht dadurch, dass der Verband immer öfter weniger geeignete Schiedsrichter in Bayerns Hallen entsendet. Dafür reicht auch die Zahl der Schiri-Beobachter kaum aus (wobei das Auf- und Abstiegssystem der Pfeifenmänner schon aufgrund des Personalmangels nicht mehr funktioniert). Vielmehr müssen Vereine und Verband endlich gemeinsame Sache machen und sich an guten Beispielen orientieren: Die drei Baden-Württembergischen Landesverbände haben 2010 zum „Jahr der Schiedsrichter“ mit vielen intelligenten Aktionen erklärt, haben sich den Vize-Ministerpräsidenten als Schirmherren geschnappt, ziehen durchs Land mit der Parole: „Wir wollen Transparenz, Offenheit und Verständnis für den oftmals unbequemen Job schaffen.“ Das Werk scheint zu gelingen. Bedenkt man, dass bayerische Vereine pro nicht gestelltem Spielleiter Strafe zahlen müssen, wären viele gescheite bayerische Schiedsrichter-Jahre jetzt schon finanziert.